Viele Kinderprodukte folgen einem einfachen Prinzip: laut ist gut, bunt ist besser. Sie sind gemacht für den schnellen Wunsch, weniger für den Alltag. Zwischen Einhörnern und Superhelden, geht oft der Blick für das Wesentliche verloren. Als der Sohn von Thorsten und Minka Frackenpohl sich an seiner neuen Uhr die Finger wundfummelt, wird den beiden klar: Es fehlt nicht an Auswahl. Es fehlt an Ruhe. An Klarheit. An guten Ideen, die auch Kinderhände verstehen und ihnen zu Autonomie verhelfen. Daraus entstand KWIO – eine Marke für puristische und funktionale Kinderprodukte, die viele Jahre lang zur Familie gehören dürfen.
Gründung am Küchentisch
Kindlich ist nicht dasselbe wie kindgerecht. Diese Unterscheidung war der Anfang von KWIO und ist die Idee eines Vaters, der als Designer gewohnt ist, genau hinzuschauen. Thorsten Frackenpoh leitete über 20 Jahre lang eine Designagentur, entwickelte Produkte, arbeitete an Materiallösungen, Marktreife, Lieferketten. Als sein ältester Sohn eine Armbanduhr braucht, beginnt er sich umzusehen – und stößt auf ein überraschend einseitiges Angebot. Fast alle Modelle bestehen aus Kunststoff, sind bunt gestaltet und mit Verschlüssen ausgestattet, die für Kinderhände kaum zu bewältigen sind. Auch die Uhr, für die sie sich schließlich entscheiden, hat einen klassischen Dornverschluss – funktional für Erwachsene, aber ungeeignet für ein sechsjähriges Kind. „Ich konnte kaum glauben, dass die Uhrenindustrie offenbar davon ausgeht, dass Kinder keine kindgerechte Lösung brauchen, obwohl doch gerade die Uhr ein klassisches Geschenk zur Einschulung ist“ so Frackenpohl.
Gemeinsam mit seiner Frau Minka, die zu diesem Zeitpunkt noch als Beraterin arbeitet, entsteht die Idee, selbst ein Produkt zu entwickeln. Sie beginnen zu recherchieren und stellen fest: Der Markt bietet kaum Alternativen. Als absehbar wird, dass daraus mehr entstehen könnte, übernimmt Minka die finanzielle Verantwortung für die Familie – während Thorsten gründet. „Ohne Minka im Rücken hätte ich es nie so durchziehen können“, sagt er rückblickend. „Sie hat damals unser Einkommen gesichert, außerdem haben wir viele Entscheidungen schon damals gemeinsam getroffen“. Fast zeitgleich erfahren die beiden, dass sie zum dritten Mal Eltern werden. Zwei Monate nach dem Launch des ersten Produkts kommt ihre Tochter zur Welt. Die Entwicklung von KWIO verläuft von Anfang an entlang des familiären Alltags – mit allen Herausforderungen, aber auch mit der Nähe zur Zielgruppe, die sich nicht planen lässt.
Wachsen im Tandem
Die ersten Monate nach dem Launch sind geprägt von Improvisation und Tempo. Die erste Bestellung umfasst rund 1.500 Kinderuhren. Thorsten treibt KWIO operativ voran – entwickelt, organisiert, verschickt – während Minka weiterhin als Beraterin arbeitet und gleichzeitig den Familienalltag mit drei Kindern stemmt. Als sie sich nach einer intensiven beruflichen Phase bewusst eine Auszeit nimmt, entsteht Raum für neue Perspektiven. Sie beginnt, sich punktuell bei KWIO einzubringen – erst mit Ideen, dann mit wachsender Verantwortung – und wächst Stück für Stück in die Rolle einer zweiten Führungskraft hinein. „Wir haben gemerkt, dass sich unsere Kompetenzen perfekt ergänzen – und dass es für uns als Familie sogar entlastend ist, beruflich am selben Strang zu ziehen“, erinnert sich Minka.
Steile Lernkurve
Dass es nicht immer nach Plan läuft, wird beiden früh bewusst. Als eine komplette Lieferung aufgrund geopolitischer Verwerfungen acht Monate im Container feststeckte, mussten sie schnell umplanen. „Natürlich hängt da viel gebundenes Kapital und auch Umsatz dran, für ein Start-Up eine herausfordernde Situation. Aber genau in solchen Momenten muss man schnell reagieren, umplanen und flexibel bleiben. Das gehört einfach dazu.“, so Minka. Auch Thorsten blickt auf eine steile Lernkurve zurück: Seine Erfahrung brachte technisches Know-how, doch Vertrieb und Vermarktung waren Neuland. Jede freie Minute nutzt er zum Lernen – mit Podcasts im Ohr, beim Sport, Einkaufen oder Rasenmähen – und baut sich Schritt für Schritt ein Netzwerk aus Wissen und Unterstützern auf.
Über die Zeit entsteht ein belastbares Fundament – aus geteiltem Alltag, ergänzendem Wissen und dem Vertrauen, dass sich vieles gemeinsam besser bewältigen lässt als allein. Ein besonders eindrücklicher Moment für Minka: das Weihnachtsgeschäft 2022. Wochenlang sitzen sie abends gemeinsam am Küchentisch, messen Schleifenbänder ab, verpacken an die 500 Uhren, bereiten Bestellungen vor. „Da war auf einmal spürbar, wie viele Menschen da draußen unsere Produkte gekauft haben – das war der Moment, in dem ich dachte: Wow – das hier ist wirklich etwas Besonderes.“ Heute liegt der jährliche Einkauf bei rund 25.000 Kinderuhren.
Das Sortiment wächst
Nach der Uhr kam der nächste große Schritt: ein Schulrucksack. Was als Testballon begann, wurde schnell zum Wendepunkt. „Der Schulanfang ist in Deutschland ein emotionaler Meilenstein – und der Rucksack spielt dabei eine zentrale Rolle“, sagt Thorsten. Als sie gemeinsam mit einer Designerin und einem starken Zulieferer die ersten Muster in der Hand halten, wird klar: KWIO ist bereit für die nächste Produktkategorie – und für einen wesentlich größeren Markt. Für die erste Saison 2025 haben sie 4.000 Stück bestellt – 2026 sind bereits doppelt so viele eingeplant.
Heute entwickelt KWIO genau das, was Kindern zwischen fünf und zehn Jahren hilft, ihren Alltag selbstständig zu meistern – mit Armbanduhren, Weckern und Schulrucksäcken. Perspektivisch soll das Sortiment noch weiterwachsen – mit passenden Accessoires wie Brotdosen und Trinkflaschen sowie Taschen für etwas jüngere Kinder. Statt bunter Motive oder austauschbarer Trends setzt das Unternehmen auf klare Linien, verständliche Bedienung und hochwertige, nachhaltige Materialien. Der Schulrucksack „BAGG“ wird vollständig aus recyceltem Material gefertigt – robust, wetterfest und rückstrahlend. Sein magnetischer Rolltop-Verschluss lässt sich flexibel anpassen und ist leicht zu öffnen, auch für kleinere Hände. Die Uhren wiederum sind so gestaltet, dass Kinder sie selbstständig anlegen und ablesen können. Was banal klingt, ist in der Produktwelt der Kinder keineswegs selbstverständlich. In den letzten vier Jahren hat KWIO im Schnitt zwei neue Produkte pro Jahr eingeführt – jedes mit dem Anspruch, eine echte Lücke zu schließen und langfristig relevant zu bleiben.
Getestet im echten Leben
Im gesamten Entwicklungsprozess stehen nicht die Käufer:innen im Mittelpunkt, sondern die tatsächlichen Nutzer:innen: die Kinder. Deshalb wird jedes Produkt von Anfang an aus ihrem Alltag heraus gedacht – und mit ihnen getestet. Nicht unter Laborbedingungen, sondern dort, wo es später auch eingesetzt wird. Die Gründer beobachten, stellen Fragen, lassen ausprobieren – und greifen bewusst so wenig wie möglich ein. Das Ziel: Produkte, die intuitiv funktionieren und verstanden werden, ohne erklärt zu werden. Ein Beispiel dafür ist der Rolltop-Verschluss des Schulrucksacks: „Schon in der Entwicklung kam von Eltern immer wieder die Frage auf, ob dieses Prinzip für Kinder im Grundschulalter überhaupt geeignet sei. Auch wir haben uns das anfangs gefragt“, so Thorsten. Doch die anfängliche Skepsis wich schnell der Erkenntnis: Kinder verstehen das Prinzip sofort – und bedienen es mit Leichtigkeit. Dahinter steht keine Pädagogik im engeren Sinn, sondern ein gestalterisches Verständnis von Respekt: Kinder als kompetente Nutzer:innen ernst zu nehmen. So entsteht ein Design, das nicht auf laute Reize setzt, sondern auf echte Alltagstauglichkeit – und damit vielen Eltern Orientierung bietet, die im Überangebot an Kinderprodukten nach Klarheit suchen.
Ästhetik, die prägt
Klares, reduziertes Design ist eines der zentralen Kernthemen bei KWIO – und ein bewusster Bruch mit den gängigen Vorstellungen davon, wie Produkte für Kinder auszusehen haben: laut, bunt und visuell überladen. „KWIO steht bewusst für eine klare, reduzierte Ästhetik – ohne Dekore, Comicfiguren oder schrille Aufkleber, die ein Produkt vermeintlich ‚kindgerecht‘ machen. Kinder haben eigene Bedürfnisse – und die müssen wir ernst nehmen“, erklärt Thorsten.
Für Minka ist das auch eine Frage der Erziehung: „Ästhetik lernt man. Unser Auge gewöhnt sich an das, was wir regelmäßig sehen. Deswegen wiederholen Kinder oft, was sie in ihrem Umfeld wahrnehmen“ sagt sie. Gerade deshalb sei es wichtig, dass auch Kinder Produkte erleben, die Klarheit und Zurückhaltung ausstrahlen . „Viele dieser Dinge sprechen vielleicht zunächst die Eltern an – aber Kinder entwickeln mit der Zeit ein Gespür für diese Form von Gestaltung“.
Wachstum nicht um jeden Preis
Das Unternehmen ist bis heute eigenfinanziert und bewusst schlank aufgestellt. Neben den beiden Gründern arbeiten eine Produktdesignerin und eine Marketingexpertin fest im Team, ergänzt durch ein Netzwerk an Freelancern und Agenturen. Vertrieb und Sichtbarkeit laufen vor allem über den eigenen Onlineshop und Plattformen wie Amazon, vorerst nur für Deutschland und Österreich. Für die Schulrucksacksaison 2026 ist ein gezielter Testlauf im stationären Handel geplant. Seit 2022 verzeichnet KWIO ein jährliches Wachstum von rund 100 Prozent. Die unternehmerische Haltung bleibt dabei bewusst fokussiert: nicht jedes Wachstum ist ein Fortschritt, nicht jede Expansion sinnvoll. Thorsten erklärt: „Uns war es bislang wichtig, unsere finanzielle Unabhängigkeit zu bewahren – auch wenn das bedeutet, etwas langsamer zu wachsen“. „Viel wichtiger ist die Frage, ob ein neues Produkt oder ein neuer Kanal tatsächlich zu unserer Philosophie passt“, ergänzt Minka.