Die Geschichte von „One Piece“ ermutigt Zuschauer, über den Tellerrand hinauszuschauen und nach Größerem zu streben

Seit 8 Jahren beschäftigt sich YouTuber Raafey, aka Rafael Raev, in seinen Videos intensiv mit Animes. Mit insgesamt mehr als 262 Millionen Views ist er der meistgeklickte Experte für 15 Millionen von deutsch-sprachigen Genre-Fans.  Insbesondere die Serie „One Piece“ von Mangaka Eiichiro Oda ist ein wiederkehrendes Thema auf seinem Kanal. Was die Live-Action Adaption zu bieten hat und wie sie sich in die Anime- und Serientrends einfügt, erzählt Raafey im Interview.

 

Hallo Raafey! Was sagst Du zu dem Material, das Du bisher von der One Piece Live-Action-Adaption gesehen hast?

Für mich ist die Synchronisation das herausragende Merkmal. Die Auswahl des Casts ist faszinierend und könnte als Adaption von One Piece durchaus überzeugen. Für uns deutsche Zuschauer haben die Sprecher eine tiefe nostalgische Bedeutung, und ich bin der Meinung, dass andere Stimmen einfach unpassend gewesen wären. Doch was diese Live-Action-Adaption besonders hervorhebt, ist die spürbare Leidenschaft, die dahintersteckt. Es ist offensichtlich, dass das Ziel darin besteht, „One Piece“ den gebührenden Respekt zu erweisen und ein qualitativ hochwertiges Produkt zu liefern. Schon jetzt, anhand einzelner Ausschnitte und Kulissen, wird deutlich, dass hier größte Anstrengungen unternommen wurden, um das Image von Live-Action-Serien zu rehabilitieren. Sollte dieses Projekt nicht erfolgreich sein, bezweifle ich, dass irgendeine Live-Action-Adaption es je sein wird.

Wie stehst Du zu den Änderungen, die Netflix an der Storyline vorgenommen hat?

Dass die Handlungsstränge von Baratie und Arlong Park miteinander verflochten sind – wie man bereits im Trailer durch einen Fischmenschen auf dem Baratie erkennen kann – ist eine effiziente Methode, Zeit zu sparen, ohne der Erzählung zu schaden. Es ist zudem interessant, einige Abweichungen zu sehen. Entscheidend ist, dass die zentralen Themen konstant bleiben. Das gesamte Team demonstriert seine Liebe zum Detail. Selbst die Outfits der Crew sind zum Teil von sehr alten Zeichnungen für Manga-Cover von Eiichiro Oda beeinflusst. Es gibt auch Anspielungen auf nicht verwendete Ideen, wie die Tatsache, dass Zoro wahrscheinlich gegen einen Agenten der Baroque Firma kämpft. Dies war zwar nicht im Manga enthalten, entsprang jedoch ursprünglich einer Idee von Oda-sensei.

Wie wichtig ist One Piece bzw. die neue Adaption für Deine Community und Dich?

Die Geschichte von „One Piece“ ermutigt Zuschauer, über den Tellerrand hinauszuschauen und nach Größerem zu streben. Es ist eine Botschaft von Hoffnung, Durchhaltevermögen und der unerschütterlichen Kraft des menschlichen Geistes. Für den Hauptcharakter Ruffy beispielsweise ist es undenkbar, seinen Traum nicht zu verfolgen – er sieht darin eine Selbstverständlichkeit. Im Gegensatz zu uns Menschen, die oft von Zweifeln, „Was-wäre-wenn“-Gedanken und Bedenken geplagt werden. Durch die Darstellung von Charakteren, die auf den ersten Blick als unattraktiv oder gar lächerlich erscheinen, betont Oda außerdem immer wieder die Wichtigkeit, niemanden nach seinem Äußeren zu beurteilen. Denn hinter jedem Charakter verbirgt sich eine Geschichte, ein Schicksal, das ihn geprägt hat. Für treue Fans ist diese Adaption darum von entscheidender Bedeutung. Sollte eine Umsetzung, die mit so viel finanziellen Mitteln und Leidenschaft realisiert wird, nicht den Erwartungen entsprechen, müsste man sich ernsthaft fragen, ob eine Live-Action-Adaption von Animes überhaupt realisierbar ist.

Ist Dein Spitzname Raafey angelehnt an die Hauptfigur Ruff?

Der Name „Raafey“ ist in erster Linie eine Ableitung meines bürgerlichen Namens Rafael. Selbstverständlich spielte auch „Ruffy“ eine Rolle bei der Wahl dieses Spitznamens, da die Aussprache beider Namen identisch ist. Diese Namensgebung hat sich als passend erwiesen, und in der heutigen Zeit verwenden die meisten diesen Namen, um mich anzusprechen.

Warum kommt die Realverfilmung gerade jetzt?

Technisch gesehen wäre eine derart aufwendige Live-Action-Serie vor einigen Jahren schlichtweg nicht realisierbar gewesen. Dank des Marvel-Universums konnten wir aber erleben, welche beeindruckenden Möglichkeiten die moderne CGI-Technologie bietet. Gleichzeitig erlebt „One Piece“ derzeit seinen Höhepunkt in der Beliebtheit. Eine parallele Netflix-Adaption zu diesem Zeitpunkt wird das Finale der ursprünglichen Serie nur noch intensiver und spannender gestalten. Es ist eine aufregende Zeit für Fans und Neuentdecker gleichermaßen, und die Kombination aus Tradition und modernster Technik verspricht ein einzigartiges Seherlebnis. Wir befinden uns aber auch zweifellos in einer Zeit, in der viele klassische Filme ihr Remake erfahren, um von der Nostalgie der Zuschauer zu profitieren.

Die Realverfilmungen von Fullmetal Alchemist und Deathnote kamen beim Publikum nicht so gut an. Glaubst Du, Netflix wird es bei One Piece besser machen?

Ein gravierender Fehler, der bei der Adaption von „Death Note“ gemacht wurde, liegt vermutlich darin, dass die Verantwortlichen sich nicht ausreichend mit dem Originalwerk auseinandergesetzt haben. Der Protagonist, zum Beispiel, verhält sich gänzlich anders als er es im Original tut. Eine Live-Action-Adaption muss zwar nicht exakt dem Original entsprechen, dennoch bin ich der Meinung, dass die grundlegenden Werte und Charakterzüge beibehalten werden sollten. Bei „One Piece“ wurde bei der Auswahl des Casts offensichtlich mit großer Sorgfalt vorgegangen, um sicherzustellen, dass die Schauspieler wirklich zu den Charakteren passen. Angesichts der offenkundigen Liebe zum Detail bin ich überzeugt, dass diese Adaption nicht den Eindruck erwecken wird, „billig“ oder unausgereift zu sein, wie es bei anderen der Fall war. Es scheint, als ob hier ein echtes Bestreben vorliegt, dem Originalwerk gerecht zu werden und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Produktion zu liefern.

Du machst jetzt schon seit 8 Jahren Rezensionen über Animes. Wie sehr sind sie Deiner Einschätzung nach hierzulande schon in der breiten Masse angekommen?

Anime hat schon seit geraumer Zeit seinen festen Platz in der Popkultur gefunden. Über das Klischee, dass Zeichentrick nur etwas für Kinder oder „Nerds“ sei, sind wir endlich hinweg. Was den Filmen und Serien jedoch lange fehlte, war eine einfache und weitreichende Verfügbarkeit. Dieses Manko wurde durch Streaming-Dienste wie Crunchyroll oder Netflix behoben. In der heutigen Zeit ist es sogar wahrscheinlicher, dass jemand schonmal ein oder zwei Anime-Serien gesehen hat, als dass er noch nie in Berührung damit gekommen ist.

Nun wird aus dem beliebten Manga von Eiichirō Oda eine Realverfilmung. Welche Bedeutung hat dieser Schritt in die „echte Welt“ Deiner Meinung nach für Kult-Titel wie One Piece?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die „One Piece“ Live-Action-Serie für viele der perfekte Einstieg in die Welt von „One Piece“ bzw. Mangas im Allgemeinen sein wird. Sie bietet eine frische Perspektive und könnte als Brücke dienen, um neue Fans für diese faszinierende Welt zu gewinnen. Bislang haben die gut 1000 Folgen viele potenzielle Zuschauer abgeschreckt, die heute einfach ein viel schnelleres Erzähltempo gewöhnt sind. Wer aber die Live-Action-Version von „One Piece“ liebt, wird zweifellos auch den Manga oder Anime schätzen. Mein Wunsch ist, dass durch diese Adaption vielen bewusst wird, welche tiefsinnige und berührende Geschichte Oda-sensei mit „One Piece“ tatsächlich vermittelt.

Zuletzt hat Greta Gerwigs Barbie-Verfilmung den ultimativen Marketing-Spagat zwischen Kinoleinwand und Merchandise geschafft. Liegt auch in One Piece solches Potenzial?

Absolut! Das wird besonders deutlich durch die intensiven Einflüsse von Anime in Zusammenarbeiten mit international renommierten High-Fashion-Marken. Aber nicht nur im Luxussegment, auch im Alltagsbereich zeichnet sich dieser Trend ab. Das neue „One Piece AXE-Deo“ ist hier nur der Auftakt. Die eindrucksvolle visuelle Kraft des Manga-Stils kombiniert mit der enormen Kaufkraft der Fans schafft ein gewaltiges Potenzial für Marken und zukünftige Kollaborationen. Es ist ein Zeichen dafür, wie tief Anime und Manga in der globalen Kultur verankert sind und wie groß die Möglichkeiten für Unternehmen sind, sich mit dieser leidenschaftlichen und engagierten Fangemeinde zu verbinden.