Visuelle Meditationen für Träumer und Ästheten: Creative Director Roman Beranek im Interview

Roman Beraneks Lichtinstallationen machen aus vertrauten Gemäuern lebendige Kunstwerke. Mit Aufträgen vom New Yorker Szeneclub Brooklyn Mirage bis rauf auf den Machu Picchu hat sich der Schweizer Lichtkünstler und Vorreiter im Bereich Media Mapping seit 2003 einen Namen gemacht. Als Creative Director des 2008 gegründeten Kunstkollektivs Projektil steckt er nicht nur hinter erfolgreichen Produktionen wie der Immersive Art-Reihe, sondern entwickelt mit seinem Team aus Kreativen, Contentproduzent:innen und Techniker:innen auch eigene Inhalte: In 16 europäischen Städten erweckt ihre Showreihe “Eonarium” mit bildgewaltigen Erzählungen die verwinkelten Innenräume historischer Gebäude zum Leben und bringt Zuschauer:innen zum Schwelgen. Aktuell verwandelt sein neues Projekt “Pixel Zoo Ocean” eine Zürcher Kirche in ein smartes und interaktives 360° Aquarium. Im Interview wirft Beranek einen Blick auf die Highlights seines Schaffens und erklärt den Reiz historischer Architektur für seine Kunst.

Roman, Du hast Deine Lichtkunst 2011 schon auf dem berühmten Weltkulturerbe Machu Picchu projiziert. Wie kam es dazu?

Wir hatten über ein Festival, für das wir die Visuals gemacht haben, einen Kontakt und wurden angefragt. Zu dieser Zeit gab es nur wenige Künstler oder Unternehmen, die so ein Projekt überhaupt hätten umsetzen können. 2011 feierte die Stadt Cusco das 100-jährige Jubiläum der Entdeckung von Machu Picchu. Damals war ich noch Anfang 30, und es war eine unglaubliche und exotische Erfahrung, 30.000 Leute kamen, weil sie so eine Show noch nie gesehen haben.

Hast Du Dich auf historische Gebäude spezialisiert? 

Ich würde eher sagen, ich habe eine besondere Faszination dafür. Wir haben aber auch schon ganz andere Sachen umgesetzt, zum Beispiel eine Show im Szeneclub Brooklyn Mirage in New York, Projektionen für das Doha Tribeca Film Festival oder den Auftritt der Schweiz auf der Weltausstellung Expo 2012 in Soul, Korea.

Mit Projektil zeigt Ihr Eure Eonarium-Shows hauptsächlich in Kirchen. Warum ausgerechnet dort?

Ehrlicherweise haben wir uns zu Anfang noch ausprobiert und dafür eine Kirche in der Nähe unseres Office genutzt. Die moderne Art von Meditation, die wir bieten, hat in Kombination mit dem Gebäude so gutes Feedback bekommen, dass wir es weiterentwickeln wollten. Wir lieben die Herausforderung, die Einzigartigkeit und Geschichtsträchtigkeit, die alte Gebäude uns bieten. Es hat einen ganz besonderen Reiz, jahrhundertealte Gemäuer in neue, frische Lichtgewänder zu kleiden. Die Struktur bleibt unberührt, und doch erfinden wir sie vollkommen neu. Die Eonarium-Shows sind aber nicht auf Kirchen beschränkt, in Lyon spielen wir zum Beispiel im Palais de la Burse, in Mailand war es das Casa Cardinale.

Auch die Show Genesis II, die aktuell in Hamburg und Regensburg gezeigt wird, zieht Inspiration aus der christlichen Religion. Ist das ein wiederkehrendes Thema?

Ja und nein. Wir bedienen uns aus verschiedenen Weltreligionen und philosophischen Disziplinen. Die christliche Schöpfungsgeschichte dient den Genesis-Shows als Leitfaden, sie ist eine gute Orientierung für die Zuschauer, weil sie in unseren Breitengraden so weit bekannt, schlicht und verständlich aufgebaut ist. Die Show Enlightment ist eher buddhistisch angehaucht, Infinity ist inspiriert von der Physik. Wir suchen nach den Wundern und Fragen dieser Welt und geben Inspiration für mögliche Antworten – mit Bilderwelten ohne Sprache und Text und damit für alle verständlich.

Wie kann man sich Eure Ideenfindung vorstellen?

Wir beobachten den Zeitgeist: Was passiert in der Welt? Was beschäftigt andere? Welche Technologien sind neu? Mich inspirieren alltägliche Geschichten, aber natürlich auch andere Medien, Filme, Musicals, Theater. Wie könnte man das in eine immersive Show umwandeln? Vieles entsteht aus der Gruppe. Die Inspiration kommt vom Einzelnen, aber im Team können wir uns gegenseitig herausfordern und Ideen pingpongen. Eonarium ist ja auf historische Gebäude ausgelegt, die Shows sollen also dazu passen und sich einfügen, dem Ort gebühren. Da geht es nicht nur um das, worauf wir gerade Bock haben.

Welche Zielgruppe habt ihr vor Augen? 

Wir wollen Leute ansprechen, die sich auf etwas Besinnliches und Meditatives einlassen möchten – in der heutigen, hektischen Zeit können wir das alle gut gebrauchen. Und Träumer und Ästheten gibt es in jeder Altersklasse und Kultur.

Wie läuft der Entstehungsprozess einer Eonarium-Show ab?

Wir besprechen unsere Ideen in Kreativmeetings und entwickeln dann Moodboards. Was funktioniert? Was passt zusammen? Anschließend erarbeiten wir ein Skript, ein Storyboard, ein Animatic. Welche Kapitel kommen vor? Zu welcher Musik? Wie wollen wir den Spannungsbogen gestalten? Anfang, Ende, Message? Da die Orte, in denen wir die Shows zeigen, oft die gleichen sind wie im Vorjahr, müssen wir uns auch fragen, wie wir die nächsten Shows neu und anders gestalten, damit es interessant bleibt. Dann starten wir in die Produktion, ergänzen das Animatic stetig mit dem neuen Material. Bis eine Show fertiggestellt ist, dauert es etwa ein Jahr und braucht ein Team von 10 bis 15 Leuten, mit der Technik sind es 20. Die Hälfte sind in der Produktion, dazu kommen Scriptwriter, Musiker und Soundingenieure.

Gibt es ein Projekt, auf das Du besonders stolz bist? Das Dir sehr am Herzen liegt?

Enlightment finde ich sehr gelungen. Ich mag das Abstrakte, es ist schwieriger zu verstehen und umzusetzen, aber ich finde wir haben es gut hinbekommen. Besonders stolz bin ich auch auf unseren Pixel Zoo Ocean. Der ist einfach super produziert, eine Show mit Bildungsabsicht und einem kunstvollen Mix aus Witz und Klimabewusstsein. Oder auch Mozart Melodies, eine immersive Neuinterpretation der Zauberflöte. Am Anfang zeigen wir da 15 Minuten lang das Leben von Mozart, ich nenne es scherzhaft gerne eine sexy Geschichtslektüre. Wenn man dann weiß, wer Mozart war, folgen 30 Minuten mit Stücken aus der sehr modernen Oper mit neuen Visuals und neu entwickelten Charakteren.

2008 hast Du Projektil gegründet. Wie hat es damals angefangen?

Vor 2008 habe ich vor allem Film und Fotografie nach Aufträgen umgesetzt. Eines Tages gab es dann eine Vorführung von Pani, eine Firma für Hochleistungsprojektoren aus Wien. Ich war absolut fasziniert und habe ihnen geschrieben, dass ich gerne mit ihnen zusammenarbeiten würde. Ein halbes Jahr lang habe ich bei ihnen gelernt, damals lief ein Großteil des Mappings noch analog. Bald fanden wir dann die erste Brand, die offen für einen Auftrag mit der neuartigen Technologie war. Da wurde mir schnell klar, dass es mehr Leute braucht, und zwar nicht nur externe. Darum habe ich ein Kreativteam mit Management und Technik aufgebaut, teilweise kannte ich die Künstler schon von vorherigen Projekten. Nach Auftragsprojekten für Brands, Hotels, Parties, Festivals und Konferenzen haben wir 2015 beschlossen, eigene Produktionen zu erarbeiten.

Bildet Ihr alle Prozesse intern ab oder arbeitet Ihr auch mit externen Künstler:innen und Spezialist:innen zusammen?

Wir können den Großteil des Prozesses mit unserem Team inhouse abbilden, also vor allem Entwicklung, Produktion von Bild und Ton sowie das Mapping. Da sind wir 20 Leute. Dazu kommen aber immer wieder Freelancer und externe für Bildmaterial und Musikarrangements.

Was sind die ungewöhnlichsten Shows, die Ihr bislang auf die Beine gestellt habt?

Wir haben schon Techno-Shows mit 500 Gästen in einer Kirche in Zürich realisiert. Das war eher ein Konzert als eine Party, aber die Atmosphäre war unglaublich! Außerdem entwickeln wir mit Leuten vor Ort immer wieder außergewöhnliche Vorstellungen für die Eonarium-Reihe. Da gab es neben Live-Konzerten auch schon Ausdruckstanz in der Kirche oder Yoga-Sessions während der Show.

In welchen neuen Städten bzw. Ländern plant Ihr die nächsten Shows? In welchen würdet Ihr gerne noch Shows umsetzen?

Als nächstes spielen wir mehr in Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich, darauf freuen wir uns enorm. Ich mag aber keinen Gigantismus, sondern habe lieber besondere kleine Projekte mit Herz. Neben den historischen Gebäuden liebe ich auch Unorte, also Orte, die vermeintlich unschön sind und die wir mit Licht verwandeln können. Ich möchte gute Geschichten erzählen an überraschenden Orten, die berühren und begeistern. Also das, was wir jetzt schon machen, aber eben einfach immer besser darin werden. Hört sich nicht so gut an wie „Ich will den Bundestag beleuchten“, aber größer finde ich halt nicht immer besser.